Kritiken

Meisterwerk fürs 21. Jahrhundert?
Amriswil: Kommentiertes Konzert mit Schumanns "Liederkreis"

...Sind Lieder von Robert Schumanns "Liederkreis op. 39" lediglich
schöngeistiger Ohrenschmaus für konservative Musikkonsumenten,
sind diese zwölf vertonten Eichendorff-Gedichte in ihrer scheinbar
schwärmerischen Sprache überholt oder nur für Ewig-Gestrige?
Diese Frage nahm Hans-Udo Kreuels, Professor für Klavier am
Landeskonservatorium Feldkirch, zum Ausgangspunkt seiner
musikwissenschaftlich wie ästhetisch fundierten Gedanken.
Gespaltenes Lebensgefühl
Das Gegenteil ist wahr: Schumann, dessen Biographie durch psychische Gefährdungen aufs Tiefste überschattet war, nahm in diesem Werk, tiefenpsychologisch betrachtet, das gespaltene, oft orientierungslose
Lebensgefühl unserer Generation vorweg. Der Tonsetzer ist in seiner
revolutionären Abkehr von der Formstrenge und der gebändigten Emotion
der Klassik moderner denn je, ja seine künstlerische Radikalität gilt als zeitlos.
Kreuels bestach in seiner Analyse durch musikalische Einfühlung, die er als ausübender Pianist einbringen konnte, nahm aber auch ein psychologisches
und philosophisches Interesse für sich in Anspruch. Der Pianist, der auch Musikwissenschaft studiert hat, entzündete sich besonders an den Strophen
Joseph von Eichendorffs, an seiner ideellen, im Geistigen wurzelnden Sprachwelt,
in der die Dinge an sich zu singen scheinen.
Fruchtbringender Weg
Kreuels zeigte durch die Art seines Vortrags selbst einen fruchtbringenden
Weg zum Verständnis dieses Zyklus: den intuitiven Zugang. Naturempfinden beispielsweise ist im Liederkreis nie nur beschreibend, es ist archetypisch,
jenseits des bloß Begrifflichen, daher überzeitlich. Spüren wir dem nach,
könnte dieses Kunstwerk uns auf uns selbst zurückwerfen.
Heimlichkeit und Unheimlichkeit
Mit engagierten Detailanalysen der Tonartensymbolik, der kompositorischen Versenkung in das Dichterwort, mit Hinweisen auf Intervallqualitäten gab
Kreuels nicht nur ein äußeres Bild. Seine Ausführungen verwiesen immer
direkt auf die innere psychologische Dramaturgie dieser Liederfolge, die
nicht zuletzt die Heimlichkeit und Unheimlichkeit unserer Beziehung zur
Natur zu umfassen sucht.
Sängerin am Flügel
Besonderen Anteil an der professionellen Gesamtgestaltung hatte aber
vor allem eine technisch wie interpretatorisch feinfühlige und die Klangwelt
Schumanns delikat ausleuchtende Barbara Blank als "Sängerin am Flügel".
In diese geheimnisvolle Sphäre kompetent eingeführt zu gaben, das war
das Verdienst aller Beteiligten. Dass die Form des kommentierten Konzerts
für die Vermittlung derart konzentrierter Kunst die zeitgemäße sein könnte,
das bewies der Abend.

(mpr. Thurgauer Zeitung 4/99)


Schubertiade Schwarzenberg (Bregenzerwald) Juni 2002
Vortragsreihe mit Gesang
...Hans-Udo Kreuels, Professor für Klavier am Landeskonservatorium und Musikkritiker, hat sich bei mehreren Schubertiaden durch seine ebenso
fundierten wie rhetorisch beeindruckenden Werkeinführungen ein Stammpublikum erworben. Heuer widmete er sich zusammen mit dem schon international
bekannten Vorarlberger Tenor Michael Heim Schuberts letztem Liedzyklus "Schwanengesang". Das Motto der dreitägigen Vortragsreihe bezog sich auf
den berühmten "Atlas" nach Worten von Heinrich Heine: "Die ganze Welt der Schmerzen muß ich tragen." Kreuels, der eloquent informierte, am Bösendorfer markante Schubert-Stellen spielte und manche Phrase sang, rückte neben
Meister Schubert stets auch die am "Schwanengesang" kongenial beteiligten
Dichter Rellstab und vor allem Heine ins rechte Licht.
Aus der Fülle der interessanten Aspekte, die Kreuels aufzeigte, seien etwa erwähnt: Faszinierend die zwanghaft verschweißten, fortschreitend dunkler werdenden Vokalklänge der Verspaare bei "In der Ferne" (Rellstab) als "Philosophie der völligen Verneinung" oder Kreuels' Gedanken über Tempi einst und jetzt (zB die trabenden Rösslein im "Abschied"). Einzig sechs Heine Gedichte vertonte der Komponist, und alle sind schwermütigen Inhalts. Kreuels: "Heine ist vor allem der Meister der romantischen Ironie, der oft sarkastisch-saloppen Diktion...

(Vorarlberger Nachrichten / Dr. Edgar Schmidt)


Ein Meister stellt ein Meisterwerk vor
(
Johann Sebastian Bachs genial-kompositorischer Blick in die Neuzeit)

...Hans-Udo Kreuels gab am Landeskonservatorium Feldkirch anhand von Bachs "Chromatischer Phantasie und Fuge" eine Beweisführung der These "J. S. Bach: Januskopf zwischen Altertum und Neuzeit".
...dabei gab es nicht nur... einen großartigen musikalischen Genuss,
sondern beim zweiten Vortrag aufgrund der fundierten Erklärungen viel Neues
zu erhören - das Bachsche Werk wurde durch- und einsichtiger...
...ließ durch das große Können des Pianisten, dessen Interpretation geprägt
war vom tiefen Verständnis für die Komposition, Glanzlichter des Musikalischen aufleuchten, ließ das Besondere tatsächlich spüren...

(Gerolf Hauser / Liechtensteiner Volksblatt)